Was hat es mit der Vorabpauschale auf sich?

Inhaltsverzeichnis

Zu Beginn des Jahres 2024 standen Anleger vor der Situation, nach einer längeren Periode erneut Steuern auf die Erträge ihrer bestehenden Fonds und ETFs zu zahlen, auch wenn diese keine Ausschüttungen machten. Der Grund ist die Vorabpauschale: Wenn die Fonds innerhalb eines Jahres Gewinne erwirtschaften, so müssen darauf im Folgejahr Steuern entrichtet werden. Die Ermittlung, ob und in welchem Ausmaß eine Steuerbelastung durch die Vorabpauschale entsteht, gestaltet sich allerdings äußerst kompliziert. Der Gesetzgeber lässt sich in seinen Regeln an Komplexität kaum übertreffen. Wir möchten Ihnen die Thematik dennoch möglichst verständlich aufbereiten.

Zusammenfassung

  1. Durch die Vorabpauschale entsteht eine Steuerlast auf Anlagegewinne in Fonds, auch wenn keine Gewinne, Dividenden oder ähnliches entnommen wurden.
  2. Die Berechnung der Vorabpauschale findet nachträglich statt (im Folgejahr).
  3. Die Vorabpauschale betrifft v.a. thesaurierende Fonds, also solche, die Erträge nicht ausschütten, sondern wieder anlegen.
  4. Die Vorabpauschale wird wie alle anderen Kapitalgewinne aus Fondsbeständen steuerpflichtig behandelt. Das bedeutet, sie unterliegt einer standardmäßigen Besteuerung mit der Kapitalertragsteuer von 25% (siehe unten: Soli, Kirchensteuer und Teilfreistellung beachten).
  5. Die Vorabpauschale dient als Bemessungsgrundlage für die Abgeltungssteuer. Die im Voraus entrichtete Steuer geht nicht verloren; bei einem Verkauf der Fondsanteile in der Zukunft wird sie steuerlich angerechnet.
  1. Der Einzug der Steuer erfolgt durch die depotführende Stelle (Depotbank).
  2. Ein Freistellungsauftrag kann bis zu einem gewissen Grad Abhilfe verschaffen. Bei Ledigen kann der Freistellungsauftrag maximal 1.000 EUR betragen und bei Ehegatten insgesamt 2.000 EUR. Dadurch werden Steuern auf Erträge bis 1.000 / 2.000 EUR gar nicht erst von der Depotbank an das Finanzamt abgeführt, sondern einbehalten. Ohne Freistellungsauftrag müssen sich Anleger die bereits abgeführte Steuer durch ihre Steuererklärung im Folgejahr zurückholen.

Was ist die Vorabpauschale und warum wurde sie eingeführt
Die Vorabpauschale wurde mit der Investmentsteuerreform 2018 eingeführt, um den Steuerbehörden Zugriff auf Anlagegewinne in Fonds zu gewähren, auch wenn aus den Fonds keine Gewinne, Dividenden oder ähnliches im Steuerjahr entnommen wurden und Anlegern zuflossen. Sie soll also sicherstellen, dass Anleger auch dann eine Mindestbesteuerung zahlen, wenn der Fonds keine oder nur sehr geringe Ausschüttungen vornimmt. Auf diese Weise sollten zudem thesaurierende Fonds an ausschüttende Fonds steuerlich weiter angeglichen werden.

Ermittlung der Vorabpauschale

Die Vorabpauschale basiert auf der Annahme, dass Anleger mit ihrem investierten Kapital zumindest so viel Ertrag erwirtschaften, wie es eine Investition in sichere Bundesanleihen täte. Dieser „fiktive Gewinn“ wird dann so behandelt, als ob er am ersten Tag des nachfolgenden Jahres realisiert und den Besitzerinnen und Besitzern der Fondsanteile zugekommen wäre. Die Depotbanken sind verpflichtet, die Steuern aus der Vorabpauschale für die Kundendepots zum Jahresbeginn automatisch an das Finanzamt abzuführen.

In den letzten zwei Jahren mussten keine Steuern auf die Vorabpauschalen gezahlt werden, da der zugrundeliegende Basiszins zu niedrig ausfiel, da der Zins bei den Bundesanleihen (mit 15 J. Laufzeit) bei null oder sogar im negativen Bereich lag.

Seit Sommer 2022 haben die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) zu einem Anstieg des Basiszinses geführt, was ebenfalls eine Erhöhung der Vorabpauschale für das Jahr 2023 zur Folge hatte.

Basiszinssätze zur Berechnung der Vorabpauschale der Kalenderjahre 2018-2024:

JahrBasiszinssatz
20180,87%
20190,52%
20200,07%
2021 0,45%
2022 0,05%
20232,55%
20242,29%

Rechenbeispiel
Die Berechnung erfolgt in drei Schritten. Im Folgenden verwenden wir das Jahr 2023, wofür die Steuer im Januar 2024 abgeführt werden musste.

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Schritt 1: Basisertrag ermitteln

Beispiel: Investment von 100.000 EUR

Zuerst wird der hypothetische Basisertrag bestimmt, indem der Wert der Anlage zu Beginn des vorangegangenen Jahres mit 70% des aktuellen Basiszinses von 2,55% herangezogen wird, was einen Wert von 1,785% ergibt (in diesem Fall 1.785 EUR).

Basisertrag = 100.000 EUR x 70% x 2,55% = 1.785 EUR

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Schritt 2: Abgleichung Basisertrag vs. realer Wertsteigerung

Liegt die reale Wertsteigerung unter dem fiktiven Basisertrag, wird die reale Wertsteigerung bei den weiteren Berechnungen zugrunde gelegt.

Beispiel A: 1.785 EUR Basisertrag, jedoch 3.000 EUR reale Wertsteigerung
Der Basisertrag ist geringer als die reale Wertsteigerung, daher wird der Basisertrag als Berechnungsgewinn für die Versteuerung herangezogen, also 1.785 EUR.

Beispiel B: 1.785 EUR Basisertrag, jedoch 1.000 EUR reale Wertsteigerung
Der Basisertrag ist größer als die reale Wertsteigerung, daher wird die reale Wertsteigerung als Berechnungsgewinn für die Versteuerung herangezogen, also 1.000 EUR.

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Schritt 3: Ausschüttungen aus Fonds abziehen

Sofern dem Anleger im Kalenderjahr Ausschüttungen zufließen, werden diese vom Berechnungsgewinn abgezogen. Denn Ausschüttungen unterliegen in diesem Fall ohnehin bereits der Abgeltungssteuer.

Vorabpauschale = Berechnungsgewinn – Ausschüttungen

Schritt 3 ergibt die Vorabpauschale bzw. es ergibt sich die Höhe des fiktiven Gewinns, welcher im Kalenderjahr zu versteuern ist.

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Schritt 4: Steuerbelastung berechnen

Die Vorabpauschale wird, wie alle anderen Kapitalgewinne aus Fondsbeständen, steuerpflichtig behandelt. Das bedeutet, sie unterliegt einer standardmäßigen Besteuerung mit der Kapitalertragsteuer von 25%. Unter Hinzurechnung von 5,5% Solidaritätszuschlag (ohne Berücksichtigung einer eventuellen Kirchensteuer) resultiert dies in einer Gesamtsteuerbelastung von 26,375% auf die Vorabpauschale.

Um Doppelbesteuerung zu verhindern, sieht das Steuerrecht für bestimmte Fondsarten eine Teilfreistellung vor. Bei diesen Fondsarten haben die Fondsgesellschaften schon Steuern auf die in den Fonds enthaltenen Wertpapiergewinne entrichtet.

Die Höhe der Teilfreistellung hängt vom Anteil der Aktien oder Immobilien im Fonds ab. Für Anleger berechnet sich die Teilfreistellung wie folgt:

  • 30% für Aktienfonds (lt. Anlagebedingungen laufend mindestens 51% Aktienanteil)
  • 15% für Mischfonds (lt. Anlagebedingungen laufend mindestens 25% Aktienanteil)
  • 60% für Immobilienfonds (lt. Anlagebedingungen laufend mindestens 51% in Immobilien oder Immobiliengesellschaften)
  • 80% für Immobilienfonds mit Auslandschwerpunkt (lt. Anlagebedingungen laufend mindestens 51% in ausländische Immobilien oder Auslands-Immobiliengesellschaften)

Wer zu Beginn des Jahres 2023 100.000 EUR ausschließlich in Aktienfonds investiert hatte, würde im Jahr 2024 in etwa 330 Euro Steuern zahlen, sofern keine Ausschüttungen erfolgt sind.

Zu zahlende Steuer = Vorabpauschale x Gesamtsteuersatz x 70%
Zu zahlende Steuer = 1.785 EUR x 26,375% x 70%
= 329,56 EUR

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Fazit: Sicherlich ein sehr komplexes Thema, welches wir aufgrund einiger Kundenrückfragen dennoch für Sie aufarbeiten wollten. Bei Fragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Hinweis: Die Inhalte dieses Artikels sind gut recherchiert. Alle Angaben sind dennoch ohne Gewähr und wir übernehmen für die Inhalte keine Haftung. Der Artikel stellt keine steuerliche, rechtliche und Anlageberatung dar. Es handelt sich lediglich um allgemeine Information und Aufklärung und nicht um Beratung. Kapitalanlagen bergen Risiken und vergangene Renditen stellen keine Garantie für die Zukunft dar. Wir bitten Sie, unsere Risikohinweise und unseren Haftungsausschluss zu berücksichtigen. Wenden Sie sich bei konkreten steuerlichen Fragen an Ihren Steuerberater.

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